Um zu beantworten, was an dieser Stelle unter Coaching verstanden werden soll, wird zunächst einmal gefragt, was ein Coach eigentlich macht. Ein Mensch hat ein Problem. Er kommt als Mandant zu einem Coach und bittet ihn, sein Problem zu lösen. Dieser würde mit einer orientalischen Weisheit antworten: „Wenn du eine hilfreiche Hand suchst, so findest du sie am Ende deines eigenen Armes.“1 Das heißt, der Coach gibt keine Ratschläge. Er unterstützt seinen Mandanten lediglich dabei, sein Problem selbst zu lösen. Dies geschieht prozessorientiert (wie bei einem Mediator) und nicht inhaltsorientiert (wie z.B. durch einem Unternehmensberater oder Rechtsanwalt). Coaching ist das Mittel der Wahl, wenn es um höherrangige Veränderungen, z.B. um die Integration konfligierender Glaubenssätze geht (Beispiel: „… nicht immer alles alleine machen zu wollen.“).2 Natürlich kann es im Coaching auch einfach nur um das Aneignen von fehlenden Fähigkeiten gehen (z.B. die Fähigkeit, sich Wörter zu merken oder diese richtig zu schreiben3). Dies wäre jedoch ein Problem, das bereits mit dem Einsatz eines „einfachen“ Trainings zu bewältigen wäre. Im Coaching wird hauptsächlich versucht, zuerst die Sichtweise der Dinge zu verändern, bevor man daran geht, die Welt zu verändern.

Wie wird das im Coaching umgesetzt? Coaching gehört neben Training oder Beratung zum großen Bereich der Weiterbildungsszene. Die meisten „Weiterbildner“ arbeiten auf der Grundlage von psychologischen Konzepten. Von den ca. 20 bekannten psychologischen Denkschulen sind die nachfolgend aufgelisteten am meisten verbreitet: 4

Transaktionsanalyse nach Eric Berne (46,4 %),

Lösungsfokussierte Beratung nach Steve de Shazer/Insoo Kim Berg (44,7 %),

Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg (41 %),

Themenzentrierte Interaktion nach Ruth Cohn (37,1 %) und

Neurolinguistisches Programmieren (NLP) nach Richard Bandler/John Grinder (37 %).

Weniger verwendet werden psychologische Verfahren mit ihren Methoden, Modelle und Interventionen, die ihren Ursprung z.B. in der „Psychoanalyse“ (nach Sigmund Freud, 7,5 %), der „Individualpsychologie“ (nach Alfred Adler, 7,4 %) oder der „Positiven Psychotherapie“ (nach Nossrat Peseschkian, 5,2 %) haben.5

Im Folgenden werde ich NLP zugrunde legen. Ausschlaggebend hierfür waren die beiden Gespräche6, die ich im Rahmen der Vorbereitung dieser Arbeit mit Adrian Schweizer geführt habe. Ich zitiere Schweizer: „… dann kommt man doch nicht umhin festzustellen, dass die Denkschule, die man vielleicht als ‚NLP und seine Modelle‘ oder ‚NLP and Associates‘ bezeichnen könnte, als die in der Praxis der Weiterbildung im deutschen Sprachraum dominierende Denkschule betrachtet werden muss.“ Dieser Feststellung war eine historische Analyse vorangegangen, die sich mit dem Beitrag von Graf und den quantitativen Ergebnissen der oben genannten Methodenstudie, die er verwendet, beschäftigte und bei der NLP lediglich auf Rang fünf landete. Schweizer begründete die Dominanz von NLP aus seiner Entstehungsgeschichte heraus. „Neurolinguistisches Programmieren“ stellt eine „praktische Analyse und Synthese verschiedener Denkschulen dar. Richard Bandler und John Grinder haben in den 70er Jahren das Denken und die daraus folgenden Interventionsmuster von Fritz Perls, Virginia Satir, Milton Erickson, Gregory Bateson, Moshé Feldenkrais und Linus Pauling (kein Psychologe, dafür aber 2-facher Nobelpreisträger) erforscht und eine Verbindung dieser verschiedenen Ansätze erarbeitet, die sie NLP genannt haben.“ so Schweizer weiter. Er kam nun zu seinem Schluss der „NLP-Dominanz“, weil die Methodenstudie die Ansätze von Virginia Satir („Systemische Familientherapie) mit 31,1 %, Milton Erickson („Hypnotherapie“) mit 20,3 % und Fritz Perls („Gestalttherapie“) mit 17,4 % den Rängen 7, 9 und 10 zuweist, diese durch NLP aber auch abgedeckt werden. Weiterhin baut die „Lösungsfokussierte Beratung“ (nach Steve de Shazer), mit 44,7 % auf Rang zwei, wiederum auf Milton Ericksons „Hypnotherapie“ auf. Dies ist „ein überraschend klares Ergebnis, oder?“ schloss Schweizer seine Argumentationskette für NLP.

Diese Argumente werden noch durch einen Hinweis zur Wissenschaftlichkeit von NLP vervollständigt. Beim „Neurolinguistischen Programmieren“ geht es in erster Linie darum, dass die Techniken funktionieren. Davon geleitet, haben sich Richard Bandler und John Grinder vorwiegend damit befasst, die Effektivität von NLP zu verbessern und weniger damit, danach zu fragen, weshalb es funktioniert. Vielleicht liegt das daran, dass sie „ein amerikanisches und kein europäisches, insbesondere deutsches Wissenschaftsverständnis“ 7 haben. Mittlerweile gibt es aber wissenschaftliche Untersuchungen mit entsprechenden Tests. Für “The clinical effectiveness of neurolinguistic programming”8 fanden sich 2012 internationale Akademiker, Forscher und Therapeuten zusammen, um die Wirksamkeit von NLP-Techniken wissenschaftlich zu untersuchen. Weiterhin erschien im Jahre 2000 die Mongraphie „Die Wirklichkeit des NLP – Erkenntnistheoretische und ethische Schlussfogerungen“ 9, in der die öffentliche Wahrnehmung von NLP als ein Instrument der Manipulation durch eine theoretische Darstellung korrigiert wurde. Abschließend noch einen Hinweis zu der Veröffentlichung „Theorie und Praxis der Neuro-Linguistischen Psychotherapie (NLPt)“ 10, die sich 2001 der NLP von wissenschaftlicher Seite näherte.

Coaching11 beginnt damit, dass sich Mandant und Coach im Rahmen eines Vorgesprächs synchronisieren (Rapport aufbauen)12 und dabei herausfinden, ob sie zueinander passen und miteinander arbeiten können. Dann wird der Coach den Mandanten nach seinen Zielen fragen (nicht nach seinen Problemen!). Die Zielbestimmung wird nach bestimmten Prinzipien durchgeführt (1. Was ich will!/Nicht, was will ich nicht! 2. Für sich!/Nicht für andere! 3. Wann, wo und mit wem? 4. Zielzustand immer wieder assoziieren!, 5. Was gewinne, was verliere ich, was bleibt gleich? 6. Was ist ein Merkmal dafür, dass das Ziel erreicht ist? 7. Womit beginne ich (erster Schritt)?)13. Der Coach unterstützt nun seinen Mandanten, wenn seine Ziele wenig sinnvoll sind oder vielleicht noch welche fehlen. Dazu verwendet er bestimmte Strategien (z.B. die „Disney-Strategie“ 14) und stellt „Intelligente Fragen“ 15 aus einem System, das man „Meta-Modell der Sprache“ 16 nennt. Diese Fragestellungen sind wiederum die logische Konsequenz oder Umkehrung der widerstandsfreien Sprache des „Milton-Modells“ 17.

Für das weitere Vorgehen erwirbt der Mandant die Technik, sein internales Erleben über die fünf Sinne Spüren, Sehen, Hören, Schmecken und Riechen zu erreichen. Es folgen die Schritte „ins Gefühl“ und „aus dem Gefühl“ zu gehen. Das heißt, zu assoziieren (Zustand, wenn man sich in seinem Erlebnis befindet) und zu dissoziieren (Zustand, wenn man sich von außen zuschaut), wobei man im „assoziierten“ Zustand fühlt, während man „dissoziiert“ denkt.18

Nachdem die Ziele formuliert sind, werden „ergänzende Maßnahmen“ eingesetzt, die „neurologische Prozesse“ anstoßen oder verändern. Damit können Hindernisse und Widerstände, die vorhanden sind oder bei der Umsetzung der Ziele entstehen, aufgespürt, bearbeitet und schließlich aufgelöst werden.19 Dazu stellt NLP sogenannte Formate bereit. Wenn ein Mandant z.B. noch kein attraktives Zielbild hat, das ihn magisch anzieht, werden die NLP-Formate „New Behavior Generator“ und „Moment of Excellence“ eingesetzt. Ist der erste Schritt, das Ziel anzugehen, zu groß, könnte das Format „Chaining“ verwendet werden. Fehlen nötige Fähigkeiten, um das Ziel zu erreichen, helfen z.B. „Augenzugangshinweise“ und die „Rechtschreibstrategie“ weiter. Mangelt es dem Mandanten an Wahlmöglichkeiten für die Umsetzung der Ziele, wird „Six Step Reframing“ eingesetzt. Weiterhin gibt es z.B. für Zweifel „Integration of Conflicting Beliefs“, für schlechte Erfahrungen „History Changing“ und für Unglauben „Re-Imprinting“, wobei zusätzlich „Re-Parenting“ als Werkzeug Verwendung findet, wenn der Unglaube seinen Ursprung im familiären System hat.20

Allen Formaten ist gemeinsam, dass sie nur dann erfolgreich eingesetzt werden können, wenn der Mandant einen guten Zugang zu seinen Sinnen hat und auf dieser Grundlage die Technik des „Assoziierens“ und „Dissoziierens“ beherrscht.

Durch die Anwendung der Modelle (z.B. „Meta-Modell der Sprache“), der ergänzenden Maßnahmen (z.B. „Formate“) und Techniken (z.B. „Assoziieren“ und „Dissoziieren“) wird der Coachingprozess zu einem Lernprozess, da es dabei zu relativ überdauernden Verhaltensveränderungen kommt.

 

1 Diese orientalische Weisheit stammt aus: Peseschkian, H./Remmers, A., Positive Psychotherapie, 2013, S. 87.
2 vgl. Schweizer, A./Tehnzen, H., Die Lösung des Problems erkennt man am Verschwinden des Problems, 2000, S. 28.
3 Schweizer, A./Tehnzen, H., Supplement zu Die Lösung des Problems erkennt man am Verschwinden des Problems, 2007, S. 15.
4 Graf, J., Know-how-Vorsprung dank Theorie, Methodenstudie – Weiterbildungsszene 2014, in: Trainingaktuell, 25/2014, Heft 5, S. 6 f. Graf, J. veröffentlicht in seinem Beitrag Zahlen (in Klammern), die die durchschnittliche Verbreitung von psychologischen Denkschulen in Coaching, Training und Beratung angeben und bezieht sich auf den Verlag managerSeminare, Weiterbildungs-Szene – Erfolgreiche Methoden und Modelle in Training, Beratung, Coaching; http://www.managerseminare.de/trainingaktuell (Zugriff am 29.10.2014).
5 Ebenda.
6 Am 22.06.2014 in Horgau und am 30.08.2014 in St. Goar.
7 Schweizer, A./Tehnzen, H., Supplement zu Die Lösung des Problems erkennt man am Verschwinden des Problems, 2007, S. 90.
8 Wake, L./Gray, R. M./Bourke, Frank S. (Hrsg.), The clinical effectiveness of neurolinguistic programming, A critical appraisal, 2012.
9 Mohl, A., Die Wirklichkeit des NLP, Erkenntnistheoretische Grundlagen und ethische Schlussfolgerungen, 2000.
10 Schütz, P./Schneider-Sommer, S./Gross, B., Theorie und Praxis der neuro-linguistischen Psychotherapie (NLPt), Das wissenschaftliche Fundament für die Europa-Anerkennung von NLPt, 2001.
11 Es ist nachfolgend immer ein Coaching gemeint, das auf „Neurolinguistischem Programmieren“ basiert.
12 Ponschab/Schweizer, Die Streitzeit ist vorbei. Wie Sie mit Wirtschaftsmediation schnell, effizient & kostengünstig Konflikte lösen, 2004, S. 134 f.
13 Vgl. Schweizer, A./Tehnzen, H., Die Lösung des Problems erkennt man am Verschwinden des Problems, 2000, S. 74.
14 Vgl. ebenda, S. 95.
15 Vgl. ebenda, S. 108-114.
16 Vgl. ebenda.
17 Schweizer, A./Tehnzen, H., Supplement zu Die Lösung des Problems erkennt man am Verschwinden des Problems, 2007, S. 56-70. Vgl. Hierzu auch S. 61.
18 Vgl. ebenda. S. 64-67.
19 Schweizer, A./Tehnzen, H., Supplement zu Die Lösung des Problems erkennt man am Verschwinden des Problems, 2007, S. 10.
20 Einen Überblick über „ergänzende Maßnahmen“ findet man in: Schweizer, A./Tehnzen, H., Die Lösung des Problems erkennt man am Verschwinden des Problems, 2000, S. 117 f sowie in: Schweizer, A./Tehnzen, H., Supplement zu Die Lösung des Problems erkennt man am Verschwinden des Problems, 2007, S. 10-13. Die ausführliche Beschreibung (mit vielen Beispielen) geben Schweizer/Tehnzen auf den jeweils folgenden Seiten.

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