Die Mediation ist eine Alternative zum traditionellen Rechtsstreit (Litigation) mit einem Richter bzw. einer Jury und meistens einem Anwalt. Im Kontext der alternativen Konfliktregelungsverfahren (engl.: ADR oder Alternative Dispute Resolution: z.B. Arbitration bzw. Schlichtung, neutrale Evaluation, Facilitation, Conciliation oder Negotiation)1 ist die Mediation zwischenzeitlich zu einer eigenständigen Kategorie geworden, die sich dadurch auszeichnet, dass sie ein ausgesprochen strukturiertes Verfahren mit sechs Phasen2 darstellt:

Phase 1: Vorbereitung und Mediationsvertrag

Phase 2: Informations- und Themensammlung

Phase 3: Interessenklärung

Phase 4: Kreative Ideensuche/Optionen bilden

Phase 5: Bewertung und Auswahl von Optionen

Phase 6: Vereinbarung und Umsetzung/Dokumentation

Sie wird von einem neutralen (allparteilichen) Dritten, dem Mediator, geleitet. Der Mediator verfügt über Methoden und Techniken, insbesondere der Kommunikation (z.B. Rapport3 aufbauen, aktives Zuhören4, Paraphrasieren5, Loopen6, Reframing7 oder Spiegeln8), mit denen er die Medianten in Kontakt bringt und so dabei unterstützt, selbstbestimmt Problemlösungen zu erarbeiten, die von allen Beteiligten akzeptiert werden. Konflikte können so nicht nur reguliert, sondern auch verhindert werden. In der Mediation ist alles freiwillig aber auch vertraulich. Das Ergebnis einer Mediation liegt allein in den Händen der beteiligten Parteien. 9 Dadurch kommen im Rahmen einer Mediation oftmals Dinge „auf den Tisch“, die z.B. in einer Gerichtsverhandlung nicht behandelt werden würden und es herrscht, insbesondere in den Phasen „Themensammlung“ und „Interessenklärung“ vielfach eine (hoch-)emotionale Atmosphäre. Für die Medianten wie für den Mediator sind es Phasen, die oftmals mit „Stress“-Situationen „gespickt“ sind.

Nachdem ich Mediation kurz beschrieben und eingeordnet habe, werde ich nachfolgend die theoretischen Projekte, Leitziele oder Metaziele10, die mit Mediation in Verbindung gebracht werden, eingrenzen und interpretieren. Als Ergebnis steht das von mir für diese Arbeit präferierte Mediationsverständnis.11

Auf dem Weg zur Entscheidung Mediation zu studieren, war ich von der Idee geleitet, meine Persönlichkeit selbstbestimmt weiterzuentwickeln und andere Menschen, insbesondere junge Menschen auf ihrem Weg dorthin zu unterstützen. Als einen Teil der Persönlichkeitsentwicklung sehe ich die Fähigkeit, mit Menschen gewaltfrei12 zu kommunizieren und trotzdem die eigenen Interessen selbstbestimmt zu vertreten und auch angemessen durchzusetzen. Unweigerlich entstehen in der Beziehung und insbesondere in der Kommunikation mit anderen Menschen Konflikte. Für mich bedeutet Mediation die individuelle Fähigkeit, einen Konfliktlösungsprozess autonom einzuleiten und durchzuführen und schließlich vielleicht auch noch zu einem einvernehmlichen Ende zu bringen. Mit den Erfahrungen, die man dabei sammelt, würde es zu relativ überdauernden Verhaltensänderungen kommen (Lernprozess), die in zukünftigen Situationen zu nutzen wären.

Diese Intentionen führen zu einem Mediationsverständnis, das sich im „Individual-Autonomy-Project“ wiederfindet. Für dieses Projekt könnte die asiatische Weishheit „Der Weg ist das Ziel“ richtungsweisend sein. Nicht Ergebnisse stehen im Vordergrund, sondern Entwicklungen, die zu Lösungen führen. Eine Partei trifft selbstbestimmt Entscheidungen im Zusammenhang mit der Konfliktbewältigung und erlangt dabei Fähigkeiten, um mit aktuellen aber auch künftigen Konfliktsituationen erfolgreich umzugehen.13 Das Mediationsverfahren aus der Sicht des „Individual-Autonomy-Projects“ muss vom Mediator trennscharf von therapeutischen Methoden abgegrenzt werden, denn es geht in beiden Verfahren um die Persönlichkeitsentwicklung von Menschen.14

Zusammenfassend hat ein Mediationsverständnis, das auf dem „Individual-Autonomy-Project“ basiert somit

eine autonome Komponente15,

es führt zu persönlichem Wachstum16,

stößt Lernprozesse (z.B. Konfliktlösekompetenz)17 an,

vermittelt ein positives „(Selbst)-Gefühl“ 18,

ist vorrangig prozess-, nicht ergebnisorientiert18 sowie

gegenwarts- bzw. zukunftsorientiert18 und

kann vielseitig verwendet werden (z.B. im Rahmen von Trainings- und Fortbildungspro-grammen) 19.

Nun habe ich mich in der Tat für die Mediation im Rahmen eines Weiterbildungsstudiengangs entschieden und auf diesem Wege dann das Harvard Konzept20 kennengelernt. Viele Elemente des Konzepts sind „Bausteine“ der Mediationspraxis. So behandelt die Methode, auf der das Konzept basiert, Menschen und Probleme getrennt voneinander (Beziehungs-/Sachkonflikt), sie konzentriert sich auf Interessen, nicht auf Positionen, entwickelt Entscheidungsmöglichkeiten (Optionen) zum beiderseitigen Vorteil („Win-Win“) und besteht auf die Anwendung neutraler Beurteilungskriterien.21

Nachdem ich mich mit dem verhandlungsorientierten Ansatz von Roger Fischer und William Ury befasst hatte, lernte ich im Mediationsstudium weitere sogenannte Metaziele oder Leitideen kennen, nach denen sich Mediation ausrichten kann. Ein theoretisches Leitbild, welches das „interessenorientierte Verhandeln mit dem vorrangigen Ziel einer Problemlösung“22 vervollständigt, ist der Transformationsansatz („Social-Transformation-Project“). Dieser ergänzt den Verhandlungsansatz, indem die Perspektive gewechselt und dadurch neue Argumentationsräume erschlossen werden.23 Die Perspektive wird gewechselt, indem der Problembereich „Optionen für Lösungen“ einmal verlassen und sich den Bereichen „Beziehungen“ und/oder „Interessen“ zugewendet wird. Während im verhandlungsorientierten Ansatz die Interessen als unveränderliche Größen, die sich im Widerstreit befinden, gesehen werden, setzt sich der Transformationsansatz mit den Interessen (wie Macht, Anerkennung, Identität oder Stellung in der Gesellschaft, aber auch Ängsten, Sorgen, Verärgerungen und Einstellungen) vielschichtig auseinander und erkennt an, dass Konflikte und die dahinterstehenden Interessen dynamisch sind, so wie die komplexe Gesellschaft es ist.24

Die transformatorische Mediation beabsichtigt, diese Ziele zu erreichen über „empowerment“ („Befähigung“ aller Konfliktparteien, die eigenen Interessen und Bedürfnisse zu formulieren. Hierzu ist es z.B. erforderlich, entsprechende kommunikative Möglichkeiten zu erwerben oder ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass man für das eigene Handeln und die Konfliktlösung selbst verantwortlich ist.) und „recognition“ („Anerkennung“ der gegenseitigen Interessen und Bedürfnisse; hierfür benötigt man z.B. die Fähigkeit, andere Perspektiven des gleichen Konflikts wahrzunehmen. Das Repertoire an effizienten Handlungsmöglichkeiten wird so erweitert).25

Das hier zugrunde gelegte Mediationsverständnis wird also durch den Transformationsansatz erweitert, indem

das Verhältnis zwischen den Konfliktparteien (Menschen) dauerhaft gestärkt wird,

Veränderungsprozesse angestoßen werden, die geeignet sind, das Diskursverhalten (Kommunikation) zu verbessern,

Formen des sozialen Lernens eingeleitet werden und sich somit

Mensch und Gesellschaft in diesem Sinne generell verändern.

 

1 Vgl. Parra, B., Mediation in den USA, »mediation« Lehrtext der FernUniversität Hagen, 2013, S. 25 f.
2 Vgl. Kessen, S./Troja, M.: „Wir untergliedern ein Mediationsverfahren in sechs Phasen: …“ (Die Phasen und Schritte der Mediation als Kommunikationsprozess, in: Haft, F./v. Schieffen, K. (Hrsg.), Handbuch der Mediation, 2009, § 13, S. 295-299, Randnummern 4-10).
3 Vgl. Ponschab, R./Schweizer, A., Die Streitzeit ist vorbei. Wie Sie mit Wirtschaftsmediation schnell, effizient & kostengünstig Konflikte lösen, 2004, S. 134 f.
4 Vgl. Trossen, A., Toolbox Mediation, FernUniversität Hagen, Weiterbildungsstudiengang Master of Mediation, Sommersemester 2013 (erhalten im Rahmen des Präsenzseminares II vom 08. bis 11.08.2013 in Lengenfeld, Stand: 26.01.2012).
5 Vgl. Kessen, S./Troja, M., Die Phasen und Schritte der Mediation als Kommunikationsprozess, in: Haft, F./v. Schieffen, K. (Hrsg.), Handbuch der Mediation, 2009, § 13, S. 303 f, Randnummern 30.
6 Vgl. Trossen, A., Toolbox Mediation, Fußnote 87.
7 Vgl. Auferkorte-Michaelis, N./Michaelis, L, Kommunikation – Grundlage mediativer Verfahren (Teil 2), »mediation« Lehrtext der FernUniversität Hagen, 2013, S. 37.
8 Ebenda, S. 40.
9 Vgl. von Schlieffen, K., „Was ist Mediation?“ (Propädeutikum, in: Haft, F./v. Schlieffen, K. (Hrsg.), Handbuch der Mediation, 2009, § 1, S. 8, Randnummer 16).
10 Breidenbach, S./Gläßer, U. untersuchen fünf Mediationsprojekte: “Service-Delivery-Project”, “Access-to-Justice-Project”, „Individual-Autonomy-Project“, „Reconciliation-Project“ und „Social-Transformation-Project“ (in: Breidenbach, S./Gläßer, U., Die Selbstverantwortung der Konfliktparteien, »mediation« Lehrtext der FernUniversität Hagen, 2013, S. 18).
11 Die nachfolgenden Gedanken zu „Projekte, Leitziele oder Metaziele“ sind den Modulabschlussarbeiten 2, 4 und 7 entnommen.
12 Ausführlich dazu Rosenberg, M. B., Gewaltfreie Kommunikation, 2009.
13 Vgl. Breidenbach, S./Gläßer, U., Die Selbstverantwortung der Konfliktparteien, »mediation« Lehrtext der FernUniversität Hagen von 2013, S. 18.
14 Vgl. ebenda S. 24.
15
Vgl. ebenda S. 22.
16 Vgl. ebenda S. 24
17 Vgl. ebenda S. 22.
18 Vgl. ebenda S. 23.
19 Vgl. ebenda S. 25.
20 Fisher, R./Ury, W./Patton, B., Das Havard Konzept, 2013.
21 Ebenda, S. 276-278.
22 Kessen, S./Troja, M./Zilleßen, H./Hehn, M./Runkel-Hehn, S., Mediation im öffentlichen Bereich Teil 1, »mediation« Lehrtext der FernUniversität Hagen, 2013, S. 57.
23 Vgl. ebenda.
24
Vgl. ebenda, S. 61 und 62.
25
Vgl. ebenda, S. 62 und 63.

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